Pfadabhängigkeit: Warum wir tun, was wir schon immer getan haben – und wie wir ausbrechen
Pfadabhängigkeit erklärt, warum Menschen und Organisationen in alten Mustern verharren – selbst wenn Innovationen längst erfolgversprechender wären. Routinen und Denkweisen verstärken sich selbst, bis sie quasi unumstößlich wirken. Doch Unternehmen, die lernen, diese Muster bewusst und respektvoll zu hinterfragen, öffnen die Tür zu Innovation und mental gesünderen Arbeitsumfeldern.
Wenn Erfolg zur Falle wird: Beispiele aus der Unternehmenspraxis
Pfadabhängigkeit wird besonders deutlich, wenn Organisationen trotz veränderter Marktbedingungen an alten Erfolgsrezepten festhalten – oft mit katastrophalen Folgen:
- Kodak: Der Fotogigant erfand die erste digitale Kamera bereits in den 1970er Jahren. Statt den neuen Markt zu erobern, hielt Kodak am profitablen Filmgeschäft fest. Diese strategische Starrheit führte dazu, dass Wettbewerber wie Canon und Sony den digitalen Markt übernahmen. 2012 meldete Kodak Insolvenz an – ein Paradebeispiel dafür, wie Pfadabhängigkeit Innovation blockiert.
- Blockbuster: Lange Marktführer im Videoleihgeschäft, ignorierte Blockbuster den Wandel zum Streaming. Selbst als Netflix angeboten wurde, das Unternehmen zu kaufen, lehnte Blockbuster ab. Wenige Jahre später war das Geschäftsmodell obsolet, und Blockbuster ging 2010 insolvent.
- Nokia: Als weltgrößter Handyhersteller dominierte Nokia den Markt – und unterschätzte den Siegeszug der Smartphones. Statt früh auf offene Betriebssysteme zu setzen, hielt man an Symbian fest. Das Ergebnis: Ein massiver Verlust von Marktanteilen und der Verkauf an Microsoft.
- Xerox: Das Unternehmen entwickelte in den 1970er Jahren bahnbrechende Technologien wie die grafische Benutzeroberfläche, die Maus und das Ethernet. Doch Xerox fokussierte weiter auf Kopierer, während Apple und andere die neuen Technologien erfolgreich nutzten.
Beispiele wie Kodak, Blockbuster oder Nokia zeigen eindrucksvoll, wie das Festhalten an überholten Strategien selbst einstigen Marktführern schadete. Auch im Alltag vieler Unternehmen hören wir häufig den Satz:
„So haben wir das schon immer gemacht.“
Diese Haltung gibt Sicherheit, blockiert aber neue Ideen und kann Frustration erzeugen – vor allem bei Mitarbeitenden, die Veränderungen befürworten.
Diese Beispiele zeigen: Erfolg kann zur Falle werden. Wenn Organisationen ihre bestehenden Pfade nicht hinterfragen, verlieren sie die Fähigkeit, sich an veränderte Umstände anzupassen.
Wie man die „Immer-so“-Mentalität aufbricht – ohne Menschen zu verletzen
Der Schlüssel liegt darin, Wandel behutsam zu gestalten und Mitarbeitende mitzunehmen, statt sie zu konfrontieren oder zu überfahren. Hier sind erprobte Ansätze:
Psychologische Sicherheit schaffen
Wenn Mitarbeitende keine Angst haben, Ideen zu äußern, werden Veränderungen eher akzeptiert.
- Offene Diskussionen in einem wertschätzenden Rahmen fördern.
- Führungskräfte sollten zuhören, Feedback ernst nehmen und Fehler als Lernchance behandeln.
Veränderungen als Einladung formulieren
Statt „Wir müssen alles ändern!“ besser sagen:
„Lasst uns gemeinsam prüfen, ob es bessere Wege gibt.“
Diese Sprache vermeidet Schuldzuweisungen und bindet Mitarbeitende aktiv ein.
„Pilotprojekte“ statt radikale Umstellungen
Kleine Experimente wirken weniger bedrohlich als ein kompletter Umbau.
Beispiel: Ein Team testet neue digitale Tools oder Meeting-Formate und teilt die Ergebnisse mit anderen Abteilungen.
Gute Gründe sichtbar machen
Menschen lassen vertraute Routinen eher los, wenn sie den Sinn dahinter verstehen.
- Zahlen, Erfolgsgeschichten und Vergleiche zeigen, warum eine neue Methode Vorteile bringt.
- Praxisbeispiele aus ähnlichen Branchen nutzen („So hat Unternehmen XY erfolgreich umgestellt“).
Alte Pfade würdigen, bevor man sie verlässt
Widerstand entsteht oft aus dem Gefühl, dass bewährte Arbeit entwertet wird. Führungskräfte sollten klar machen:
„Was wir bisher getan haben, hat uns hierher gebracht. Jetzt ist es Zeit für den nächsten Schritt.“
Diese Wertschätzung verhindert, dass Mitarbeitende defensive Haltungen einnehmen.
Change-Moderatoren und neutrale Dritte einsetzen
Externe Coaches oder interne Change-Agents helfen, Diskussionen zu strukturieren und Spannungen abzubauen. Das entlastet Führungskräfte und fördert neutrale Sichtweisen.
Praxisbeispiele für erfolgreichen Wandel
- Microsoft unter Satya Nadella: Nadella veränderte die Kultur von „Know-it-all“ zu „Learn-it-all“. Fehler wurden als Lernchance gesehen, was Innovation und Motivation befeuerte.
- Toyota Kaizen-Prinzip: Mitarbeitende schlagen kleine Verbesserungen selbst vor. Der Wandel geschieht inkrementell und ohne die bisherigen Leistungen abzuwerten.
- Agile Methoden in der IT: Retrospektiven geben Teams Raum, ihre Routinen regelmäßig zu hinterfragen und selbst neue Wege zu gestalten.
Der Human Code Ansatz: Veränderungen menschengerecht gestalten
Im Sinne von Human Code geht es nicht nur darum, alte Pfade zu verlassen, sondern dies so zu tun, dass Sicherheit und Stabilität erhalten bleiben. Veränderungen sind für das Gehirn zunächst Stress. Durch psychologische Sicherheit, klare Kommunikation und Wertschätzung können Organisationen Wandel ermöglichen, der sich „artgerecht“ anfühlt: förderlich für Innovation und mentale Gesundheit zugleich.
Pfade bewusst wählen – nicht akzeptieren
Pfadabhängigkeit muss nicht zur Falle werden. Wenn Unternehmen alte Erfolge würdigen, neue Wege schrittweise erproben und Mitarbeitende aktiv einbinden, entsteht Offenheit für Veränderung. Das Ergebnis: Innovation ohne Bruch, mentale Stabilität und eine Arbeitswelt im Sinne des Human Code.
Literaturverzeichnis:
- David, P. A. (1985). Clio and the Economics of QWERTY. The American Economic Review, 75(2), 332–337.
- Sydow, J., Schreyögg, G., & Koch, J. (2009). Organizational path dependence: Opening the black box. Academy of Management Review, 34(4), 689–709.
- Unternehmensanalysen: Kodak, Blockbuster, Nokia, Xerox (Fallstudien zu Pfadabhängigkeit und Lock-in-Effekten).